Projekt Naumburg (Saale)

Stadt-Bildung

Naumburg an der Saale besitzt vor allem zwei bemerkenswerte Eigenschaften: eine weitgehend intakte Altstadt und eine Bürgerschaft, die sich für die Stadtentwicklung engagiert. Die Stadt, die der IBA Stadtumbau 2010 erst sehr spät beigetreten ist, und die Bürger wollen dieses weitgehend ehrenamtliche Engagement noch stärker fördern und effizienter mit den städtischen Planungen vernetzen, um so eine gemeinschaftliche Stadtplanung zu ermöglichen.

naumburg_Luftbild_dom
naumburg_lehmbau.jpg
naumburg_architektur_macht_schule_1


Bürgerstadt

Prägend für Naumburg ist das Altstadtensemble auf mittelalterlichem Grundriss. Die fast vollständig erhaltene Bebauung aus Bürgerhäusern des 16. bis 18. Jahrhunderts wird von dem eindrucksvollen und weithin sichtbaren Dom und der Stadtkirche St. Wenzel gekrönt. Zu DDR-Zeiten entstanden vor allem Neubaugebiete an den Stadträndern, Sanierungen im historischen Stadtkern waren seltene Ausnahmen. Nach 1990 konzentrierten sich fast 90 Prozent des Wohnungsleerstandes in den unsanierten Altbauten der Innenstadt. Seit 1991 war Naumburg „Modellstadt für Stadtsanierung“, mit Auslaufen dieses Sonderprogrammes des Bundesbauministeriums wurde 1995 die gesamte Altstadt in das Bundesprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ aufgenommen. Mittlerweile konnten rund 60 Prozent der Altbauten wieder hergerichtet werden.

Diese umfassende Sanierung der Altstadt wäre ohne das private Engagement der Bürgerschaft und Hauseigentümer nicht möglich gewesen, immerhin befinden sich 90 Prozent der Häuser in Privatbesitz. Aber auch öffentliche Bereiche und bedeutende Baudenkmäler konnten mit intensiver Bürgerbeteiligung saniert werden, etwa das Stadtmuseum „Hohe Lilie“, das Nietzsche-Haus oder der Wenzelsturm. Der Verein „Kunst in Naumburg“ richtete einen Altbau als Ausstellungs- und Veranstaltungshaus ein, der „Stadtjugendring“ nutzt und erhält historische Gebäude als Jugendhäuser, die Bildungsvereinigung „Arbeit und Leben“ betreibt ein Zentrum für historische Baustoffe. Auch die Beteiligung an der IBA selbst geht auf eine Initiative der Architekten und Ingenieure des 2003 gegründeten „Naumburger Bürgervereins“ zurück.

naumburg_Luftbild
naumburg_nicht_stein_allein
naumburg_wenzelsgasse_9_frontal

Bürger bilden Städte – Städte bilden Bürger

Basis für die Naumburger Projekte ist die Überzeugung, dass die fundierte Vermittlung von baukulturellem Wissen den Mut der Bürger, mehr Eigenverantwortung zu übernehmen, stärkt. Die Stadt profitiert dann von den Initiativen der Bürger und diese wiederum identifizieren sich stärker mit ihrer Stadt – ein Wechselverhältnis, das umso produktiver wird, je mehr Wissen über Gestaltung, Architektur, Umwelt, Sanierung, Baupraxis und Städtebau bei den Bürgern vorhanden ist. Insgesamt soll dies zu einem tieferen Verständnis für die Stadt als gemeinsames Gut aller Einwohner führen.

Die im Naumburger Bürgerverein organisierten Architekten und Bauingenieure haben mit Bildungsträgern und weiteren Partnern begonnen, aus den einzelnen Aktionen ein Netzwerk für baukulturelle Bildung zu entwickeln und dieses auch überregional zu vernetzen. Letztlich erhofft man sich gerade auch eine stärkere Bindung der Jugend zu ihrer Stadt, sind es doch vor allem die Jüngeren, die nicht in Naumburg bleiben.
Ein großer Teil der Aktionen – auch im Rahmen einer bundesweiten Initiative der Architektenkammer  und der Bundesstiftung Baukultur – richtet sich daher speziell an Kinder und Jugendliche. Gemeinsam mit Naumburger Schulen wurden schon mehrere Projektwochen und spielerische Stadterkundungen konzipiert und durchgeführt. Darüber hinaus soll das Programm aber auch erwachsene Bewohner und Besucher der Stadt und der Region ansprechen.

Naumburg-Saale_2008-05-31_IBA-Aktionstag-zur-Aufnahme-Naumburgs_001_Stadt-Naumburg.jpg
naumburg_plangebiet_impulsprojekt
Naumburg-Saale_2009-06_Praesentation_Schuelerprojekt_Orte-der-Kommunikation_002_Stadt-Naumburg.JPG

Das Architektur- und Umwelthaus

Um dieses Netzwerk weiter zu stärken, wird ein sanierungsbedürftiges Wohnhaus der Altstadt derzeit für das „Architektur- und Umwelthaus“ umfassend saniert. Das Haus soll dem Netzwerk eine sichtbare Präsenz verleihen, hier sollen Werkstätten, Ausstellungs- und Lernräume entstehen und im Erdgeschoss soll ein „Architekturcafé“ eingerichtet werden. Die Stadt hat das Gebäude erworben, nach der Sanierung indes werden drei Vereine gemeinsam dafür verantwortlich sein: Neben dem Naumburger Bürgerverein e. V. sind dies der Naumburger Umweltladen e. V. und die Lebenshilfe Naumburg e. V. Ziel ist die Bündelung und Vernetzung der ehrenamtlichen Kräfte, um  ein inhaltlich anspruchsvolles und wirtschaftlich tragfähiges Programm für das Gebäude mit Unterstützung der Stadt zu gewährleisten. Das Architektur- und Umwelthaus soll sich so als Anlaufpunkt für alle Interessierten und später möglichst als überregionaler Bildungsort etablieren: mit Workshops, Schulprojekten, Vorträgen, Diskussionen, Filmvorführungen und Ausstellungen. Für Besucher und Bewohner werden bereits seit 2009 thematische Stadtführungen angeboten, wie etwa der Altstadt-Spaziergang zu acht sanierten Häusern, deren Bewohner über ihre Erfahrungen bei der Sanierung und das Für und Wider eines Lebens in der Altstadt sprechen. Geplant ist, dass künftig thematische Stadtführungen ihren Ausgangspunkt im Architektur- und Umwelthaus haben.

Naumburg-Saale_2009-09-09_1894_Wenzelsgasse-9_eingeruestet-Giebel_002_B-C-Kretzschmar.jpg
Naumburg-Saale_2009-08-13_Veranstaltung_Altstadtspaziergang_Innenhof_M-Uhlmann.jpg
Naumburg-Saale_2009-08-13_Familienbildungsstaette_Innenhof_M-Uhlmann.jpg

Ausblick

Der Standort des Architektur- und Umwelthauses liegt ganz bewusst im Jakobsviertel in der südlichen Altstadt, ein Quartier, dessen Bild noch stark von Brachen und unsanierten, leeren Häusern geprägt ist. Das Haus ist als Impulsprojekt geplant, weitere Investitionen sollen ins Viertel gelockt werden, die dann Arbeitsplätze entstehen lassen – wie etwa die im Café im Erdgeschoss. Die Lebenshilfe beabsichtigt, auf dem Nachbargrundstück in der Wenzelsgasse einen barrierefreien Neubau mit ca. sechs Wohneinheiten für Menschen mit und ohne Behinderungen zu errichten. Dieses Projekt steht in einem ausdrücklichen Zusammenhang mit dem Architektur- und Umwelthaus, in dem Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen geschaffen werden. Die beiden Projekte in der Wenzelsgasse könnten einen Nukleus für eine neue, positive Entwicklung im Jakobsviertel bilden.

Trotz der kurzen Laufzeit des Projektes ist bereits ein überregionales Interesse an den Entwicklungen in Naumburg festzustellen. So lud die Bundesstiftung Baukultur zusammen mit der Stadt Naumburg und ihren Partnern zur Auftaktveranstaltung ihrer bundesweiten Netzwerkampagne „bauTraum“ im Februar 2010 nach Naumburg ein. Um die inhaltliche Qualität des Programms im Architektur- und Umwelthaus zu sichern, muss die Vernetzung noch weiter ausgebaut werden. Denn nur mit einem lebendigen, vielfältigen und informativen Programm kann der Anspruch eingelöst werden, durch eine breite baukulturelle Bildung den Stadtumbauprozess bürgerschaftlich zu stärken und die Bürger zu mehr Eigeninitiative und Verantwortung für die Räume Naumburgs zu motivieren.

Florian Heilmeyer, 2010

Weitere Bilder aus Naumburg (Saale)

naumburg_architektur_macht_schule_2
naumburg_jakobsgasse
naumburg_stadtumbaukricket
naumburg_wenzelsgasse_9_links

Info: Naumburg (Saale)