Projekt Lutherstadt Eisleben

Gemeinschaftswerk Lutherstadtumbau

Lutherstadt Eisleben – die einstige Bergarbeiterstadt im Mansfelder Land – konzentriert sich im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 auf ihr historisches Erbe. Ein Lutherweg durch die Altstadt macht an authentischen und künstlerisch neu inszenierten Orten das Wirken des berühmtesten Sohns der Stadt erlebbar. Grundlage dafür ist ein neu entwickelter konzeptioneller Stadtumbauplan – ein Planungsinstrument mit integrierter Denkmalpflege, das sich der Frage von Erhalt und Abriss wertvoller Bausubstanz in einer vom Schrumpfungsprozess massiv betroffenen Kommune offensiv stellt und Lösungsansätze bietet.

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Die Eisleber Geschichte reicht bis ins 9. Jahrhundert zurück und war seit dem 12. Jahrhundert eng mit dem Kupferschieferbergbau verbunden. 1483 wurde hier Martin Luther geboren. Als er kurz vor seinem Tod im Jahr 1546 in die Stadt zurückkehrte, hatte sie sich massiv erweitert, um Wohnquartiere für die aus ganz Deutschland in die Region übersiedelnden Bergleute zu schaffen. Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer neue Gruben und Hütten erschlossen. Bereits um 1900 waren die Folgen des massiven Bergbaus zu spüren: durch Bodensenkungen kam es zu ersten erheblichen Schäden in der Stadt, siebzig Jahre später zu weiteren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Bergbau bereits auf dem Rückzug – die Schächte der Mansfelder Mulde wurden  stillgelegt. Zum endgültigen Aus kam es nach der politischen Wende mit der Schließung der Schächte in der Sangerhäuser Mulde und den Hüttenbetrieben.

Während 1990 noch fast 31.000  Menschen in Eisleben wohnten, sollen es im Jahr 2020 nur noch knapp 18.000 sein. In den vergangenen zwanzig Jahren ist die Einwohnerschaft der Stadt bereits um mehr als zwanzig Prozent geschrumpft. Fast ein Drittel aller Bewohner leben heute in der historischen Altstadt. Der Gebäudebestand wurde zu DDR-Zeiten kaum modernisiert. In den 1980er Jahren mussten bereits Häuser abgerissen werden, erste Lücken in der Innenstadt entstanden. In den frühen 1990er Jahren wurde sie zum Sanierungsgebiet erklärt. Hier konzentriert sich das städtische Leben. Seit 1996 gehören das Geburtshaus und das Sterbehaus Martin Luthers zum UNESCO Weltkulturerbe. Mittlerweile aber sind zahlreiche Gebäude in der Eisleber Innenstadt vom Leerstand betroffen, im Jahr 2005 waren es ca. 18 %. Eine Stadtentwicklungskonzeption, die die demografische und wirtschaftliche Entwicklung Eislebens und  den daraus resultierenden Leerstand berücksichtigte, schien dringend erforderlich. Wie kann ein sorgsamer Umgang mit dem Weltkulturerbe gepflegt und ein Stadtumbau initiiert werden, der die Innenstadt vitalisiert und gleichzeitig zur Attraktion für internationale Besucher wird?

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Im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 wurde ein informelles Planergremium gegründet, das „Gemeinschaftswerk Lutherstadtumbau“, das jährliche Ideen- und Konzeptworkshops initiierte. Zu dieser Gruppe gehören Vertreter der Stadt, der IBA, Denkmalpflege-Experten, externe Planer und Berater sowie Haus- und Grundstückseigentümer – sowohl Einzelpersonen als auch Institutionen wie die Stiftung Luthergedenkstätten. Als erstes Projekt sollte das Luthergeburtshausensemble entstehen. Das Originalgebäude war im 17. Jahrhundert abgebrannt, danach wieder errichtet und über die Jahrhunderte immer wieder umgestaltet worden. Nun sollte es als „Adresse Weltkulturerbe“ profiliert werden. Aus diesem Initiativprojekt entwickelte das Planergremium schließlich die Idee des Lutherwegs Eisleben. 2006 wurde das Konzept unter dem Motto „Mit Luther gehen – von Eisleben in die Welt“ auf einem Stadtspaziergang erstmals öffentlich vorgestellt. Authentische Orte, an denen Luther in der Stadt wirkte, sollten mit neu inszenierten Orten verbunden werden und so das Luthergedenken zur konzeptionelle Grundlage für die Umnutzung von leer stehenden Gebäuden oder Abrissbrachen werden.

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Der erste Baustein wurde im März 2007 mit der Fertigstellung des Luthergeburtshausensembles realisiert. Die historischen Bauten wurden im Rahmen eines beschränkten Wettbewerbsverfahrens um ein neues Ausstellungsgebäude und ein Besucherzentrum erweitert. Der von Springer Architekten (Berlin) realisierte Entwurf wurde mittlerweile mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Architekturpreis des Landes Sachsen-Anhalt 2007 und im Rahmen des Deutschen Städtebaupreises 2008. Der zeitgemäße Neubau passt sich sensibel in das denkmalgeschützte Ensemble und die Umgebung der historischen Altstadt ein und verbindet nun das Luthergeburtshaus mit der Armenschule, was einen zusammenhängenden Ausstellungsrundgang im Ensemble ermöglicht.

Auf dem 2. Lutherspaziergang im Jahr 2007 konnten dann auch die Ergebnisse des Internationalen künstlerischen Wettbewerbs und bereits erste neu inszenierte Orte des Luthergedenkens vorgestellt werden. Mittlerweile ist etwa ein „Schöpfungsgarten“ (Realisierung: vom Büro lohrer.hochrein landschaftsarchitekten) mit Obstbäumen auf einem brachliegenden Grundstück entstanden. Luthers Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Sprache wird an der Station „Ohrenweide“ vom Büro atelier le balto thematisiert. Aus „Hörrohren“ in einem „Flüstergarten“ sind Zitate und Texte des Reformators zu vernehmen, geflüstert von Eisleber Bürgern. An anderen Stationen wurden leer stehende Gebäude durch künstlerische Installationen neu bespielt – das „Showfenster“ in der Lutherstraße von urban-ict zeigt mit Leuchtkästen Szenen aus dem Leben Luthers, das Eckgebäude in der Glockenstraße wurde von Anne Hentschel und Stefan Petrat zum Lesezeichen transformiert. Ein weiterer Baustein – das Museumsquartier Luthersterbehaus – befindet sich derzeit noch in der Umsetzung. Als Wettbewerbssieger ging hier der Entwurf des Stuttgarter Architekturbüros VON M Architekten hervor.

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Bereits jetzt haben der Lutherweg und das Luthergeburtshausensemble spürbar das touristische Interesse an Eisleben erhöht. Der öffentliche Lutherspaziergang am letzten Sonntag im August ist zur festen Tradition geworden. Die touristische Profilierung könnte durch die Lutherdekade und das 500jährige Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 zusätzlichen Schwung erhalten. Das Bild der Eisleber Innenstadt hat sich bereits jetzt maßgeblich verändert – an einstigen Brachen ist ein attraktives Wohn- und Lebensumfeld entstanden.

Dabei ist der Lutherweg nur ein Bestandteil des „Konzeptionellen Stadtumbauplans“, der vom Büro für urbane Projekte im Auftrag der Stadt und in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalschutz und der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Mansfeld-Südharz im Jahr 2007 erarbeitet wurde. Er sieht u.a. auch vor, dass im Stadtkern durch „Entdichtung“, also kontrolliertem Abriss, qualitativ hochwertiger Wohnraum entsteht. Das ist nur durch die Akteure des Gemeinschaftswerkes möglich. Als Pilotprojekt ist hier etwa in der Lutherstraße / Ecke Badergasse eine neu gestaltete Freifläche entstanden, die nun als Biergarten genutzt wird. Eine rote Tür  und ein Schild weisen darauf hin, dass dieses Grundstück auch für andere Nutzungen zur Verfügung steht. Mittlerweile sind die „Roten Türen“ an drei umgestalteten Flächen aufgestellt worden. Die Lutherstadt setzt also mithilfe des Gemeinschaftswerks Lutherstadtumbau auf bürgerschaftliches Engagement zur Umsetzung einer städtebaulichen Strategie, die mit „kontrollierter, kleinteiliger Perforation“ umschrieben werden kann.

Franziska Eidner, 2010

Präsentation 2010 in der Lutherstadt Eisleben

Ausstellung

"K³ – kleiner-klüger-kooperativer"
Ausstellungsgebäude am Luthergeburtshausensemble, Lutherstraße 15 a

Gestaltung: Stefan Adlich, Leipzig und Büro für urbane Projekte, Leipzig

Film: Der Lutherweg Eisleben

Ein Film von Henry Mertens, im Auftrag der IBA-Büro GbR, 2009 (Flash-Video, 17'29)

Weitere Lutherstadt-Eisleben-Bilder

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Auszeichnungen

Das Luthergeburtshausensemble wurde ausgezeichnet mit folgenden Preisen:

2007: Architekturpreis des Landes Sachsen-Anhalt
(Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr und der Architektenkammer Sachsen-Anhalt)

2008: Belobigung im Rahmen des Deutschen Städtebaupreises
(Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung)

2009: Hannes-Meyer-Preis
(Bund Deutscher Architekten, Landesverband Sachsen-Anhalt)

Info: Lutherstadt Eisleben