Projekt Hansestadt Stendal

Zentraler Ort im ländlichen Raum

Die Altmark in Sachsen-Anhalt ist die am dünnsten besiedelte Region des Landes, die Hansestadt Stendal ihr wichtigstes städtisches Zentrum. Die ländlich geprägte Region ist gekennzeichnet von einer wenig diversifizierten Wirtschaftsstruktur, hoher Abwanderung, einem geringen Beschäftigungsgrad und einem hohen Anteil von Pendlern, die außerhalb der Region arbeiten. Diese Situation führt dazu, dass hochwertige und zeitgemäße Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheit, öffentlicher Verkehr, Kultur, Wohlfahrt, Dienstleistungen und andere nicht mehr flächendeckend vorgehalten werden können.

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Daher erfolgte in der Altmark eine Konzentration auf zentrale Orte wie die Hansestadt Stendal, die als Mittelzentrum auch Funktionen eines Oberzentrums übernimmt.
Die Umbrüche der Jahre 1989/90 hatten für Stendal und die Altmark tief greifende Konsequenzen. Viele produzierende Betriebe, besonders aus den Bereichen Maschinenbau sowie Stahl- und Industriemöbelindustrie, bauten Personal ab, die Bauarbeiten am Kernkraftwerk Niedergörne, die seit 1974 liefen, die „größte Baustelle der DDR“ bildeten und zu einem enormen Bevölkerungswachstum in Stendal und Umgebung geführt hatten, wurden 1990/91 beendet. Die landwirtschaftlichen Großbetriebe, die LPGs, wurden aufgelöst. In der Folge sank die Einwohnerzahl um mehr als ein Viertel. Es verließen viele, vor allem junge, Menschen die Region, sodass die Bevölkerungsdichte der Altmark auf 46 Einwohner pro Quadratkilometer sank.

Bereits 1991 wurde die Hansestadt Stendal aufgrund der historisch bedeutsamen Innenstadt in das Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ aufgenommen und die konsequente Sanierung des 94 Hektar großen Altstadtgebiets konnte beginnen. Die zahlreich vorhandene Bausubstanz der Altstadt ist zugleich architektonisches Erbe und Kapital der Stadt. Mit der behutsamen Sanierung der mittelalterlichen Profan- und Sakralbauten knüpft die Hansestadt an ihre historischen Bezüge an. Zeitgleich aber führte die Abwanderung zu hohen Leerstandsraten, die ein Umdenken in der Wohnungswirtschaft erforderten. Im Jahr 2001 verzeichnete die Stadt in ihren Plattenbauten in „Süd“ einen Leerstand von über 50 Prozent und im Stadtteil „Stadtsee“ einen Leerstand von 28 Prozent.

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2004 wurde Stendal IBA-Stadt. Das hiesige Thema befasst sich mit den fundamentalen Fragen, welche die Schrumpfung sowohl in Städten als auch in Regionen wie der schon immer dünn besiedelten Altmark, aufwirft. Eine der wichtigsten Fragestellungen ist, wie die öffentliche Daseinsvorsorge weiterhin qualitativ und quantitativ vorgehalten werden und in welchem Rahmen sie überall gleichwertig angeboten werden kann, ob dies noch zu finanzieren ist und an welchen Stellen umgedacht werden muss. Um diese Problematiken aufzugreifen und zu lösen, trafen Handlungsträger aus den beiden altmärkischen Landkreisen und dem Städtenetz Altmark zusammen, die sich speziell mit der Konzentration von Bildungsangeboten und dem öffentlichen Personennahverkehr beschäftigten. Insbesondere über die Umgestaltung der Bildungslandschaft mit einer Konzentration des Schulangebots auf wenige Zentren konnte, nach den bereits erfolgten Schulschließungen der letzten Jahre, in der Region keine Einigung erzielt werden.

Ab dem Jahr 2009 wurde der inhaltliche IBA-Schwerpunkt verschoben. Als größte Stadt der Region hat Stendal explizite Aufgaben und eine besondere Verantwortung. Hier sind Leistungen der Daseinsvorsorge anzubieten, welche nicht mehr in jeder Gemeinde vorgehalten werden können. Diese Gründe machten zum Beispiel die Umstrukturierung des öffentlichen Personennahverkehrs in der Region notwendig, damit unter anderem Behörden, Dienstleister und Schulen problemlos aus den kleineren Orten erreicht werden können. Auch die Neuorganisation der technischen Infrastruktur und die Stärkung der Innenstadt wurden diskutiert und neue Herangehensweisen vorgeschlagen.

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Ein weiterer Aspekt, um den Auswirkungen des demografischen Wandels zu begegnen, ist unter dem Titel „Kernige Altmark – zurück in die Mitte“ erarbeitet worden. Die in der Städtekooperation Arneburg/Hansestadt Stendal/Tangermünde vereinten Kommunen haben sich verpflichtet, die Stadtgebiete entsprechend der prognostizierten Einwohnerzahlen zu entwickeln – also ein zukunftsplanerisches Schrumpfen der Städte auf den historischen Stadtkern hin. So sollen sich Arneburg als Industriestandort, Tangermünde als touristisches Zentrum und Stendal als Dienstleistungs- und Bildungsstandort profilieren. Die Bildungslandschaft der Hansestadt Stendal zeigt bereits heute in Qualität und Quantität ein recht gutes Profil. Dennoch wurden im Bereich der Vernetzungen noch Mängel festgestellt. Um diese Mankos zu minimieren, fand eine Bildungskonferenz statt und wurde ein Familien- und Bildungsportal im Internet erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt in der Kooperation verschiedener Bildungseinrichtungen untereinander und mit der Wirtschaft (praxisnahes Lernen).

Die Hansestadt möchte zudem ihre Bürger, besonders Familien mit Kindern, in die Stadtmitte ziehen. Das Wohnen in der Kernstadt soll die öffentliche Daseinsvorsorge erleichtern und finanzierbar machen, den Menschen aber auch ein Leben in funktionierenden sozialen Netzen ermöglichen, die beispielsweise die Vereinbarung von Familie und Beruf erleichtern. So ist das Mehrgenerationenhaus „Färberhof“ zu einem beispielhaften Begegnungsort der Generationen geworden, an welchem sowohl Kinderbetreuung als auch Sorge für ältere Menschen in zeitgemäßer Form organisiert werden kann.

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Ein weiterer Aspekt ist die Neubautätigkeit in der Innenstadt. Ein Projekt in diesem Sinne ist die Bebauung des Viertels Rohrstraße/Karnipp mit den sogenannten Winckelmannshöfen. Dafür hat das Büro KARO*architekten aus Leipzig einen Entwurf für flexible städtebauliche Module vorgelegt, deren Gestaltungen das Potenzial haben, Stadtraum zu bilden, Gemeinschaft zu stiften und außerdem wirtschaftlich sinnvoll realisierbar zu sein.

Um diese Konzentration auf die Innenstadt weiter zu fördern, sollen auch die Bauflächenpotenziale vor allem am Stadtrand reduziert werden. Dafür erfolgte die Überprüfung aller rechtskräftigen Bauleitpläne und Bebauungsplanverfahren am Stadtrand sowie die Weiterentwicklung des Rückbaukonzeptes für den Stadtteil Stadtsee. Auch über eine Neuorganisation der technischen Infrastruktur wurde nachgedacht. Ein Modell für differenzierte Tarife im Trinkwasserbereich schlägt beispielsweise vor, dass in Wohnlagen mit Entfernung von der Kernstadt, meistens mit geringen Einwohnerdichten und überdurchschnittlich großen Netzlängen, mehr für die Trinkwasserversorgung gezahlt werden müsste als in innerstädtischen Bereichen. Kann es dezentrale Lösungen beispielsweise für die Abwasserentsorgung geben? Auch hierzu wurden Untersuchungen durchgeführt und Ergebnisse ausgewiesen.

Das Beispiel Stendals zeigt, wie wichtig und zugleich schwierig die Umsetzung neuer Konzepte der öffentlichen Daseinsvorsorge ist: Innovative, finanzierbare Konzepte stoßen nicht nur auf Zustimmung, sondern müssen sich in einem langwierigen Prozess auch gegen bisherige Vorstellungen durchsetzen.

Petra Frese, 2010

Präsentation 2010 in der Hansestadt Stendal

Ausstellung

Foyer Stadthaus, Markt 14-15

Gestaltung: anschlaege.de, Berlin

Weitere Hansestadt-Stendal-Bilder


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Info: Hansestadt Stendal