Zur weiteren Mitarbeit der Stadt Gräfenhainichen

Beschluss des Lenkungsausschusses vom 1.3.2005

Der IBA-Lenkungsausschuss hat in seiner Sitzung am 3.11.2004 in Magdeburg zum Abschluss der Evaluation folgenden Beschluss gefasst:

„Der Lenkungsausschuss stimmt darin überein, dass das Thema Energie im Stadtumbauprozess von herausragender Bedeutung ist, dass Gräfenhainichen aber über kein Konzept verfügt, das im Rahmen einer Internationalen Bauausstellung tragfähig wäre. Die Stadt wird aufgefordert, bis Ende Januar 2005 mit Unterstützung des Umweltministeriums des Landes und des Umweltbundesamtes ein solides Konzept vorzulegen. Anderenfalls soll die Mitarbeit Gräfenhainichens an der IBA beendet werden. Die Entscheidung darüber trifft das IBA-Büro gemeinsam mit dem Berichterstatter ohne weitere Lenkungsausschusssitzung.“

Zur Umsetzung dieses Beschlusses wurden auf der Grundlage schriftlicher Hinweise der entsprechenden Fachabteilungen des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des Bundesumweltamtes in einer Besprechung des IBA-Büros mit der Stadt Gräfenhainichen am 16.12.2004 in Dessau für die erforderliche Nachbesserung folgende Vorschläge zur Zielorientierung abgestimmt:

„Das Leitbild der Stadt in Bezug auf die Energiefrage soll anders formuliert werden. Ansatzpunkte sind:

  • eine Stadt mit einem effizienten Energiemanagement (Programm/Kennwerte/ Monitoring)
  • eine Stadt mit reduzierter Emission (Programm/Kennwerte)
  • eine Stadt, die den energetischen Umbau intelligent mit dem physischen Umbau koppelt
  • eine Stadt, die im Zuge des Umbaus der Energiewirtschaft auf erneuerbare Energien setzt und regionale Wirtschaftskreisläufe ausbaut (Programm/ technische Konzeptvorschläge, effiziente Trägerstrukturen)
  • eine Stadt, die innerhalb ihrer Bürgerschaft Wissen, Bewusstsein und Bereitschaft für die Frage der zukünftigen Energieversorgung erzeugt (Information, Beteiligung, ggf. sogar wirtschaftliche Anreize)

Der Fachbeitrag Energie zum Stadtumbaubaukonzept soll seriös und durch Kenndaten unterfüttert erarbeitet werden und realistisch in nachvollziehbare, handhabbare Arbeitsfelder und Schritte gegliedert sein und die oben genannten Positionen berücksichtigen. Die Ideen sind vorhanden, sie sollten in konkreten  Schritten dargestellt und mit Pilotprojekten untersetzt werden; sie sollten mit Kennzahlen zu bewerten und durch einen ,Fahrplan‘ für die Bürgerbeteiligung untersetzt sein. Der am 14.12.2004 an das IBA-Büro gesendete Zwischenbericht ,Stadt mit neuer Energie‘ – Stadtentwicklungskonzept, Gräfenhainichen 2004, verfasst durch die ARGE Neue Energie, kann als Grundlage dienen. Es wird verabredet, dass die Stadt Gräfenhainichen diesen Bericht auf die verabredeten Punkte prüft, überarbeitet und dem IBA-Büro bis zum 17.1.2005 übergibt.“

Als Prüfkriterien wurden bei dieser Besprechung verabredet:

„Das grundlegende Kriterium für die Bewertung eines IBA-Projekts ist seine Relevanz für den  Stadtumbau. Ausgehend von der These, dass Schrumpfung gestaltbar ist und in dem Wandel eine Chance für Qualität, Stadtgestalt und Profil liegen kann, soll das IBA-Thema einen Weg des Umgangs mit Transformation aufzeigen. Das IBA-Thema soll die veränderten Ziele der Stadtentwicklung reflektieren und adäquate Steuerungsmechanismen und Instrumente aufzeigen. Die Strategie wird anhand von Pilotprojekten vermittelt. Ein IBA-Projekt soll modellhaft und übertragbar sein.

Eine IBA-Stadt arbeitet partizipativ mit ihren Bürger an der Gestaltung des IBA Themas.

Für Gräfenhainichen bedeutet das: Die Stadt zeigt im Rahmen ihres Themas ,Stadt mit neuer Energie‘, dass sie klug die Chance nutzt, den Stadtumbau für die Umgestaltung der Energieversorgung zu nutzen. Im Wandel entsteht eine qualitative Verbesserung. Diese ist ökologisch, wirtschaftlich und in Bezug auf die Identität der Stadt begründet. Die Innovation und Intelligenz des Projektes würde jenseits einer bloßen Anpassungsstrategie in der Koppelung von Raumentwicklung und energetischem Umbau liegen.

Fragen zur Bewertung des zu erarbeitenden Konzepts:

  • Welche Relevanz hat das IBA Thema für den Stadtumbau?
  • Was ist modellhaft und übertragbar an dieser Konzeption?
  • Ist das energetische Stadtumbaukonzept realistisch umsetzbar?
  • Trägt die Arbeit am IBA-Thema zur Stabilisierung der Stadt Gräfenhainichen in der Zukunft bei? Identität der Bürger im Sinne einer zivilen und verantwortungsbewussten Gesellschaft; Stärkung der lokalen Wirtschaft; messbare Senkung der Emission; langfristiger finanzielle Vorteile der Verbraucher und damit ein Standortvorteil“

Die überarbeitete Kurzfassung ihres Beitrags wurde von der Stadt Gräfenhainichen am 17.1.2005 per E-Mail übergeben. Auch diese Kurzfassung wurde als Zwischenbericht übersandt, der zwar durch die Planungsbüros autorisiert, aber kein Dokument der Stadt Gräfenhainichen war. Nach fachlicher Beurteilung dieses Produkts durch Herrn Hennings und Herrn Hesse kommt das IBA-Büro unter Beteiligung des Berichterstatters Dr. Holzmann zu folgendem Beschluss:

1. Das IBA-Büro bekräftigt die grundsätzliche Relevanz des Ansatzes, ein Stadtentwicklungskonzept mit dem Thema einer zukunftsfähigen Energieversorgung tragfähig und effektiv zu verknüpfen. Die Themenstellung ist nicht nur für die IBA von Bedeutung, sondern könnte insgesamt eine wichtige Funktion für das Land Sachsen-Anhalt entfalten.

2. Die Hoffnungen, die an die konzeptionelle Arbeit der Stadt Gräfenhainichen geknüpft wurden, haben sich bis jetzt jedoch leider nicht erfüllt; die am 16.12.2004 abgestimmten Vorschläge für die Zielorientierung wurden nicht ausreichend umgesetzt. Darüber hinaus empfinden wir es als irritierend, dass es bislang keinen Beschluss des Stadtrates für ein energetisches Stadtentwicklungskonzept im Sinne eines Votums für die vorgeschlagene Strategie und die angestrebten Teilprojekte gibt.

3. Die vorliegenden Teilergebnisse werden als nicht tragfähig eingeschätzt:

  • Die Darstellungen zum möglichen Einsatz regenerativer Energien haben keinen quantitativen und qualitativen Bezug zu den konkreten Gegebenheiten der Stadt; Aussagen zum Einfluss auf Infrastruktur und Medienversorgung vor dem Hintergrund sinkender Einwohnerzahlen fehlen ebenso wie eine Abschätzung des künftigen Anteils neuer Energiequellen am Gesamtenergieverbrauch.
  • Eine betriebswirtschaftliche Bewertung der angedachten Versorgungslösungen und ein Finanzierungsmodell liegen nicht vor, auch nicht in groben Zügen und für die ersten Umsetzungsschritte.
  • Für ein Stadtentwicklungskonzept fehlt ein strategischer Planungsansatz für die künftige Stadteilentwicklung, für den Wohnungsabriss und die Anpassung der Infrastruktur.
  • Eine klare Leitlinie für die Auswahl der geeigneten regenerativen Energiequellen fehlt.
  • Ein Konzept der flächendeckenden Versorgung mit regenerativen Energien müsste sich mit dem Recht der Verbraucher auf freie Wahl der Energieanbieter ebenso auseinandersetzen wie mit der Nutzung der vorhandenen Leitungsnetze durch neue Anbieter und der wirtschaftlichen Abschätzung der Versorgungskosten für Haushalte und Gewerbe.

4. Damit ist die Anforderung des Lenkungsausschusses, ein solides Konzept zum vorgegebenen Zeitpunkt vorzulegen, von der Stadt Gräfenhainichen nicht erfüllt worden. Entsprechend dem Beschluss des Lenkungsausschusses wird die Mitarbeit der Stadt an der IBA Stadtumbau 2010 damit beendet.

Angesichts des positiven Entwicklungspotentials für erneuerbare Energien im Zuge des Stadtumbaus kann Gräfenhainichen auf den bislang vorliegenden Teilergebnissen aufbauen, um das Thema unabhängig von der IBA weiter zu verfolgen.